Wales und Irland liegen nicht nur geografisch nah beieinander (rund 480 Kilometer), sie teilen auch eine besondere keltische Kultur und enge Beziehungen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich beide Länder immer wieder gegenseitig inspiriert, einander unterstützt und eng zusammengearbeitet. Wir wollen hier einige dieser Beziehungen zwischen beiden Ländern hinterleuchten.

Linguistische Verbindungen

Walisisch und Irisch gehören beide der gleichen Sprachfamilie an; mit dem Bretonischen und dem Schottisch-Gälischen zählen sie zu den noch lebendigen keltischen Sprachen. Sowohl in Wales als auch in Irland werden Schulkinder in ihrer Muttersprache unterrichtet und die Sprachen sind Teil des Lehrplans. Eine Volkszählung in Irland hat im Jahr 2016 belegt, dass 1,7 Prozent der Bevölkerung täglich Irisch-Gälisch sprechen, in Wales sprechen 16,3 Prozent täglich Walisisch.

Obwohl beide den gleichen Sprachstamm haben, sind die geschriebenen und gesprochenen Formen sehr unterschiedlich und so ist es für einen Waliser schwer, Irisch-Gälisch zu verstehen. Auch sind die Alphabete sehr unterschiedlich: das irische Alphabet besteht aus 18 Buchstaben, während das walisische 29 Buchstaben zählt.

Trotz dieser Unterschiede sind beide Länder sehr bemüht, ihre jeweilige keltische Sprache durch Bildungspolitik, kulturelle Veranstaltungen, Literatur und Musik zu erhalten.

War St. Patrick etwa Waliser?

Mit großer Begeisterung wird alljährlich am 17. März der St. Patrick's Day weltweit gefeiert. Das Gros der Veranstaltungen findet in Irland (St. Patrick ist der Schutzpatron der Iren), in den USA und in Wales statt – letzteres, weil St. Patrick tatsächlich Waliser gewesen sein könnte. Zu Zeiten des St. Patricks gab es das heutige Wales noch nicht; Wales war Teil des römischen Britannien. Aufzeichnungen belegen, dass St. Patrick im Jahr 387 n. Chr. an einem Ort namens Bannavem Taburniae geboren wurde, von dem einige Leute glauben, dass es sich hierbei um Banwen nördlich von Neath handelt.

Historischen Aufzeichnungen zufolge wurde St. Patrick in einer christlichen Familie geboren. Er wuchs in einer Villa auf, bis er als Teenager von Sklavenhändlern entführt wurde und in Irland als Schafhirte arbeiten musste. Er konnte entkommen, segelte nach Hause und wurde Missionar und in der Kirche St Illtud's in Llantwit Major, Südwales, zum Priester ausgebildet, bevor er als erster Bischof nach Irland zurückkehrte. Ob sich dies tatsächlich so zugetragen hat, ist nicht bewiesen. Doch ist es eine interessante und romantische Geschichte zugleich, die Wales und Irland miteinander verbindet.

Außenansicht der Kirche und des Friedhofs
St Illtud's Church, Vale of Glamorgan

Iren halfen beim Aufbau der Docklands in Cardiff

Zur Zeit der großen irischen Hungersnot in den 1840er Jahren blühte Cardiff durch die Entstehung der Hafendocks und der Eisenbahnen auf. Der 2. Marquis of Bute, der durch die Entstehung der Kohle- und Eisenindustrie zum reichsten Mann der Welt wurde, holte tausende irische Familien für den Bau der Docks nach Cardiff. Der Zustrom führte dazu, dass etwa 40 Prozent Iren in Cardiff lebten, von denen viele in eigens errichteten Wohnungen in der Nähe der Docks lebten. Die Unterkünfte waren einfach, doch der Gemeinschaftsgeist lebendig und geschäftig. Der Stadtteil Newtown im Hafengebiet von Cardiff war auch als „Little Ireland“ bekannt.

Nachdem die Docks fertiggestellt waren, blieben die Iren, um andere Teile der Stadt zu erschließen. Diese Siedlungen sind heute längst verschwunden, doch die Menschen und Orte leben in den Geschichten weiter, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, und durch Organisationen wie die Newtown Association.

Luftaufnahmen in schwarz-weiß der Cardiff Docks (historisch)
Luftaufnahmen in schwarz-weiß der Cardiff Docks
Männer im frühen 20. Jahrhundert, die in den Cardiff Docks und in Butetown arbeiten

Kultureller Austausch

Jedes Jahr im August findet in der Bretagne in Frankreich das größte keltische Festival der Welt statt, das 10-tägige Lorient Celtic Festival, mit mehr als 4.500 internationalen Musikern und Künstlern, darunter auch viele aus Wales und Irland. Mehr als 200 Veranstaltungen, Shows, musikalische Darbietungen, Meisterklassen, Paraden und Kunstsessions stehen auf dem Programm, das alljärhlich rund 750.000 Besucher und Zuschauer anzieht. Ein Festival aus Tradition und Moderne, das die keltische Identität der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft feiert.

Im Jahr 2019 nahm eine Gruppe junger walisischer, irischer und schottischer Musiker an dem Projekt Mamiaith („Muttersprache“) teil. Das Projekt wurde von der Organisation Wales Arts International iniziiert, um Themen rund um indigene Sprache, Kultur und Identität zu erforschen und zu untersuchen, wie Musik Sprache trägt und gleichzeitig Sprache über den Globus hinweg transzendiert.

Dies sind nur einige der vielen grenzüberschreitenden Kooperationen zwischen den keltischen Ländern. Was Wales und Irland definitiv gemeinsam haben, ist ihre Liebe, mit neuen und alten Freunden eine gute Zeit zu haben! Seit Jahrhunderten hat Irland Wales mit Künstlern, Musikern, Schriftstellern und Interpreten inspiriert und umgekehrt.

Geschäftsbeziehungen heute

Irland ist Wales' viertgrößter Exportmarkt, wobei der Wert der walisischen Exporte nach Irland im Jahr 2020 bei rund 1,2 Milliarden Pfund lag. Rund 80 irische Unternehmen beschäftigen mehr als 5.000 Menschen in Wales.

Zudem gibt es eine Vielzahl gemeinsamer Forschungsprojekte der Universitäten. An der Universität Aberystwyth widmet sich beispielsweise die Abteilung für Walisische und Keltische Studien den engen Beziehungen beider Länder und deren keltischen Wurzeln. Spezialisiert auf die Literatur und Sprache der keltischen Länder vom 6. Jahrhundert bis heute, arbeitet die Universität Aberystwyth unter anderem mit Universitäten in Irland, Schottland und Frankreich zusammen.

Das Projekt BUCANIER (es steht für „Building Clusters and Networks in Innovation Enterprise and Research“) unterstützt Innovationen und Wachstum sowohl in Wales, als auch in Irland. Es konzentriert sich auf die Bereiche der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Biowissenschaften und erneuerbare Energien. Rund 120 kleine Unternehmen werden mit dem Programm – mit 2,9 Millionen Euro von der EU finanziert – in beiden Ländern bei der Ideenfindung, Entwicklung, Produktprüfung, beim Wissensaustausch, grenzüberschreitendem Handel und der Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt.

Die engagierte Generalkonsulin Denise Hanrahan vertritt die Interessen Irlands in Wales und ein Vertreter der walisischen Regierung hat einen ständigen Sitz in der Britischen Botschaft in Dublin. Gemeinsam arbeiten sie daran, die engen Beziehungen zwischen Wales und Irland weiter zu stärken und auszubauen.

Das Gebäude des Old College im gotischen Stil in Aberystwyth mit dem Meer im Hintergrund
Das Old College, Aberystwyth University, Mittelwales

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